Autokauf, Fernweh und Lüsterklemmen

Freunde des Sauerkrauts,
liebste Blogleser. Während euer Schneemann allmählich dem Sonnenuntergang entgegen blickt ist es hier bereits 3:30 Uhr nachts und ich setze mich noch mal an mein Notebook, um euch auf den neuesten Stand zu bringen. Ab morgen hat es sich nämlich mit allgegenwärtigem Internet vorerst erledigt – aber von vorne.

Wie bereits im letzten Blogpost erwähnt habe ich mir ein Auto gekauft! Ich fuhr für die Probefahrt per Zug in einen Vorort von Sydney, wo Rodd mich mit dem 22 Jahre alten, weinroten Subaru abholte. Ich hatte direkt ein gutes Gefühl. Nicht sehr hübsch, aber dafür unauffällig, durch und durch praktisch und vor Allem spottbillig. Wo war da der Haken? Ich inspizierte die Entität mit meinem vielen nicht vorhandenen Fachwissen und setzte mich für eine Probefahrt auf den Fahrersitz. Sitz ganz nach hinten, Zündung rein, Radio aufdrehen und begeistert ausmachen, Sonnenbrille aufsetzen und Motor starten – oder auch nicht. Wie bereits bei meiner ersten Probefahrt in Brisbane sprang der Wagen nicht an. Ist anscheinend Mode in Australien! Rodd wurde knallrot und meine erste Tour mit dem Wagen begann laufend am Heck, während der Familienvater zunächst verzweifelt versuchte das angepriesene Gefährt wieder zum Laufen zu kriegen. 

Nach einer Weile sprang er aber an und Alles deutete darauf hin, dass es wirklich nur an der Batterie lag. Und der Wagen ist einfach klasse – Als Kombi mit umklappbaren Sitzen bietet er genug fast genug Platz für eine Matratze, fällt aber nicht so sehr auf wie ein Van – was in einigen Gebieten von Vorteil ist, da Schlafen im Auto in Australien illegal ist und dies teils streng kontrolliert wird. Der vermutlich nicht allzu gefräßige, da lediglich 1.8 Liter starke Boxermotor machte einen guten Eindruck und überspielte gekonnt das laute Knacken beim Lenken. Bei Bedarf lässt sich mit sehr viel Feinfühligkeit über einen seperaten Hebel Allrad zuschalten, und es gibt sogar noch einen „Low-4WD“-Modus mit zwei extrem niedrig übersetzten Gängen für besonders heikle Passagen. Allrad ist extrem wertvoll, wenn man wie Ich in den Westen reisen möchte, da die schönsten Orte dort nur so zu erreichen sind. Der gepflegte Wagen ist mit etwa 270.000km für australische Verhältnisse gerade erst eingefahren, wenn auch der Austauschmotor unbekannter Herkunft wahrscheinlich bedeutend älter ist. Servolenkung oder Airbags sucht man im Innenraum vergebens – der einzige Luxus ist eine Klimaanlage und ein durchaus brauchbares Radio. Nützliche Kleinigkeiten wie Dachträger, Anhängerkupplung und Roocatcher eine mächtige Bullbar runden die Sache ab und ich gab Rodd nach einigem Feilschen meine Hand darauf, den Wagen zu kaufen. Gerade mal 1400 Dollar (etwa 1100 Euro) sind für das Auto unverschämt billig und ich rechnete eigentlich schon damit, irgendeine Reperaturnotwendigkeit mitzukaufen. Rodd fuhr mich noch mit seinem neuen Subaru zurück zum Hostel und wir quatschten eine gute Stunde lang über alles Mögliche. In meinem Alter hat er damals eine ähnliche Tour durch Europa gemacht und ließ sich daher leicht wieder ein wenig von meinem Reisefieber anstecken.

Burgundi - mein neues Zuhause


Am nächsten Tag setzte ich mich also mit einer hübschen Rolle Bargeld wieder in den Zug. Ich war nervös, da ich nicht wirklich wusste was mich erwartet. Kaufe ich die Katze im Sack? Vergleichbare Autos kosten immerhin etwa das Doppelte. Sollte ich mir vielleicht irgendwo eine neue Batterie besorgen, bevor ich das alte Gefährt in den Stadtraum Sydneys bewege? Wird mit dem Papierkram Alles gut gehen? Registrieren und Versichern von Autos funktioniert hier komplett anders als ich es von Europa kenne und variiert zudem noch stark in den einzelnen Staaten. PKWs müssen alle 6 oder 12 Monate registriert werden, was gleichzeitig bereits eine Versicherung für Personenschäden darstellt. Der teure „green slip“ dafür von einer frei wählbaren Versicherung muss nämlich zusammen mit anderen Unterlagen bei der Behörde abgegeben werden und kostet abhängig von Zylinderanzahl und Wohnort schon mal gerne 1000 Dollar im Jahr. Ältere Modelle brauchen außerdem noch den „pink slip“, eine Art australischer TÜV. An meinem Subaru klebte jedoch eine Plakette bis April, weshalb ich mir darum keine Gedanken machte. Rodd holte mich vom Bahnhof ab und fuhr mich zu seinem Wohnhaus, wo der Subaru neben dem Wagen eines Automobilclubs auf mich wartete. Er wolle mir das Teil erst verkaufen wenn sicher sei, dass es sich bei dem Defekt wirklich nur um die Batterie handle. So war es dann auch, und ich gönnte der alten Dame für 100 Dollar noch einen neuen Akku. Rodd hatte außerdem eine alte 1m-Matratze im Keller gefunden und sie mir mitsamt Bezügen als Geschenk in den Kofferraum geworfen. Er gab mir noch Tipps, ein Buch zum Auto und nützliche Kontakte und Adressen und ich machte mich nach einem kühlen Bierchen schließlich überglücklich auf in Richtung Hostel. Es war schon etwas merkwürdig das alte Gefährt durch den australischen Feierabendverkehr zu manövrieren, wenn gleich auch man Linksfahren ja schon aus Deutschland gewohnt ist. Zurück im Hostel parkte ich Burgundi, wie er mittlerweile heißt im Basement des Hostels. Alle Bewohner, inklusive einem befreundeten Automechaniker waren sich einig, dass ich einen sehr guten Kauf gemacht habe.

Rodd und Ich

Stimmt einfach mal nicht
Der Schock kam dann bei der Ummeldung. Der ältere, offensichtlich schwule Mitarbeiter der Verkehrsbehörde konnte kaum noch gerade schauen und war der langsamste Beamte, den ich je getroffen habe. Und das will etwas heißen! „Uuh, beautiful looking german. Ahh, Balmain! I live next to you...“ Schön, aber wo ist das Problem bei meinem Auto? Er versicherte mir, dass der Wagen seit Oktober nicht mehr registriert worden sei. Das stünde zwar auf der Plakette und in den Papieren, aber irgendwo fehle irgendein Stempel. Ich müsse erst rückwirkend einen Green Slip und außerdem einen Pink Slip besorgen und dann könnte ich nochmal wiederkommen. Das Alles aber auch bitte in den nächsten sechs Werktagen, weil das Auto sonst drei Monate nicht registriert sei und es dann richtig teuer (Blue Slip, großer Check, neues Kennzeichen...) werden würde. Shit, das hat gesessen. Ich ging erstmal in den nahen Hyde Park, setzte mich auf eine Bank und guckte eine halbe Stunde in die Luft. Nicht gut, gar nicht gut. Wenn beim Check für den Pink Slip irgendetwas Größeres gefunden wird bin ich ziemlich aufgeschmissen. Die folgenden Tage waren daher recht stressig und Ungewissheit schlug auf meine Stimmung. Andy, ein befreundeter Ire aus dem Hostel ist beruflich Automechaniker und checkte die Kiste einmal gründlich durch. Dafür liebe ich das Hostel – man lebt mit 50 Leuten aus aller Welt zusammen und wächst mehr und mehr zusammen, und ist somit auch gegenseitig füreinander da. Krankenschwester, Computerprofi oder halt eben Automechaniker, man muss noch nicht einmal aus dem Haus gehen. 20 Minuten später war Andy fertig und sein Fazit recht positiv. Burgundi ist soweit in Ordnung, neben schlechten Wischerblättern und einem „fucked“ Ersatzrad gibt es lediglich ein kleines Ölleck am Motor, welches beim Check Probleme machen könnte. Also fuhr ich mit Andy am nächsten Tag los um einen Hochdruckreiniger zu finden, um vor dem Check alle Spuren zu beseitigen. Unregistriert und unversichert war es kein schönes Gefühl, die alte Dame durch den hektischen Stadtverkehr Sydneys zu leiten. Plötzlich tauchte ein Highway vor mir auf und ich bekam etwas panik – auf den Highways sind Geräte, die Kennzeichen erfassen um Maut zu kassieren und zu überprüfen, ob der Wagen registriert ist. In letzter Sekunde konnte ich über ein Stück Wiese ausweichen. Das wäre teuer geworden!

Es war zum Mäuse melken – im Raum Sydney schien es nicht einen einzigen Ort zu geben, wo man sein Auto waschen kann. Es gab nur Firmen, die dies für dreistellige Summen für Einen erledigen. Internet, Nachfragen, Rumfahren, es half Alles nichts. Ich hätte nicht gedacht, dass mich eine stupide Kleinigkeit wie die Suche nach einer Autowäsche an den Rand der Verzweiflung bringen könnte. Erst mit Hilfe der Hostelchefin, dem Einsatz dreier Sprühdosen Dreckentferner und nach Stunden langem, illegalen Umherirren war Burgundi fit für den Check. Ich parkte den Wagen extra an der dunkelsten Stelle im Werkstatthof und setzte mich penetrant auf die Motorhaube, während ich den Mechaniker vollquatschte – und das hat wunderbar funktioniert. Lediglich 36 Dollar Checkgebühr ärmer fuhr ich überglücklich nach Hause, wenn man das Hostel nach dreiwöchigem Aufenthalt schon so nennen möchte. 
Am nächsten Tag ging fuhr ich in die Stadt, um einen Green Slip zu besorgen und Burgundi endlich anzumelden. Das war jedoch auch mal wieder komplizierter und umständlicher als gedacht. Das Problem war, dass mein Vorbesitzer den Wagen nicht angemeldet hatte, jedoch den wesentlich teureren Green Slip bis April schon bezahlt hatte. Das ist offenbar so dämlich und unlogisch, dass sämtliche Mitarbeiter diesen Fall noch nie gehabt haben. Ich musste zig mal zwischen dem Versicherungsfuzzi und der Verkehrsbehörde hin und her rennen und drei mal alles ändern und neu aufsetzen. Durch mehrere unglückliche Zufälle und Verkettungen war ich gezwungen den Wagen gleich für ein Jahr in Sydney zu registrieren und musste mir noch spontan von Steffi 300 Dollar leihen – Danke Steffi! Über 1000 Dollar ärmer ist mein Auto aber nun endlich bis Oktober registriert und für Personenschäden versichert. Damit ist es etwa 600 Dollar teurer als geplant und war im Endeffekt doch immer noch ein recht guter Kauf.

Mit dem Auto kam dann auch so langsam die Aufbruchstimmung. Sydney ist toll, doch ich wollte schließlich etwas vom Land sehen. Helen, die ich ja vor einem Monat im wunderschönen Hat Heads NP kennenlernte reiste schließlich in mein Hostel in Sydney. Unsere Vorstellung vom Reisen und unsere Erwartungen daran stimmen absolut überein und ich hatte bei ihr das Gefühl eine der wenigen Personen gefunden zu haben, mit der es sich tagelang auch auf engstem Raum sehr gut leben lässt. Wir legten also den Mittwoch, den 16.01.2013 als Aufbruchsdatum fest und begannen mit den Vorbereitungen. Lautsprecher mussten her, da vorne nur die linke Box funktionierte. Kein Wunder, da rechts nur noch ein rostiger Klumpen Metall irgendwo in der Tür baumelte, der im 2. Weltkrieg vielleicht mal als Box gedient haben könnte. Wir fanden ein Schnäppchen für 50 Dollar und ich begann fröhlich summend mit meinem Buschmesser die Türverkleidung zu zerhacken. Nicht wirklich fachmännisch aber einwandfrei installiert fehlte uns nur noch Eines zu unserem Glück – Lüsterklemmen um die Teile auch anzuschließen. Es war jedoch nicht einfach diese zu bekommen, und als wir sie schließlich nach halbstündigem Fußmarsch endlich in einem Hardwarestore zu unmenschlichen Preisen fanden hatte die Lüsterklemme bereits den Heimaturlaubporsche als Wort der Woche abgelöst. Ich installierte noch einen AUX-Anschluss und wir kauften drei große Wasserkanister und Notfallkonserven sowie billige Kissen, Decken und einen Schlafsack. Nun kann die Reise losgehen. Wohin? Gute Frage! Fest steht nur, dass wir gen Süden / Südwesten wollen und in näherer Zukunft ein Job her muss. 

Helen und ich einen Tag vor der Abfahrt


Das war nix
Die letzten Tage im Hostel waren eher gemütlich, nach einer gewissen Zeit am selben Ort „versackt“ man ja schon irgendwie. Es gab natürlich auch Ausnahmen wie den Feueralarm, als ein Franzose seine Kochkünste zu sehr auf die Probe gestellt hat. Es dauerte keine 5 Minuten bis ein Einsatzfahrzeug kam und sein Gericht wurde unverhältnismäßig teuer. Eines Abends kam die Idee auf, leicht angetrunken den „scary place“ um die Ecke des Hostels zu erkunden. Es war das ehemalige Gebäude irgendeines Clubs und der perfekte Schauplatz für einen Horrorfilm. Dunkle Gänge, alte Möbel, herunter hängende Lampen und abgedunkelte Fenster. Schrott lag auf dem Boden, unter einer abgeschlossenen Tür im Inneren kam Licht und merkwürdige Geräusche. Robin hatte eine Sturmmaske auf und stahl sich mit seiner großen Schokomilch in der linken Hand davon, um den Rest der vierköpfigen Gruppe bei Gelegenheit ordentlich zu erschrecken. Wir verirrten uns irgendwo im zweiten Stock des weitläufigen Gebäudes und Helen meinte, in der Ferne eine Polizeisirene gehört zu haben. Vorsichtshalber wollten wir daher schnellstmöglich wieder raus. Ich achtete darauf, den Lichtkegel der Taschenlampe nicht auf die Fenster zu richten und rief leise nach Robin. Der antwortete jedoch nicht und wir fanden einfach keinen Ausweg aus dem Gebäudeteil. Irgendwann sahen wir einen Gang, durch den offensichtlich Tageslicht fiel. Wir wollten gerade rausgehen, als wir etwas hörten, was man sich in der Situation nicht wirklich wünscht: „Sydney police, hands up and get out of the building! Now!“ Uuuups. Im Endeffekt kamen wir aber mit einer Verwarnung davon. Wir musste unsere Taschen ausleeren und unsere Namen wurden notiert. Der Ort ist wohl ein bekannter Platz für Drogengeschäfte, weshalb die Polizei dort einen Alarm installiert hat. Schließlich wurde auch Robin mit Sturmmaske und Schokomilch aus dem Gebäude begleitet und wir machten uns auf den Weg zurück zum Hostel, da niemand Lust auf eine Runde „advanced hide and seek“ mit der Polizei hatte.



Ihr habt wahrscheinlich in den Nachrichten verfolgt, dass Australien im Moment wiederholt von den dafür typischen Hitzewellen heimgesucht wird. Bis zu drei Tage am Stück ist es deutlich heißer als es eh schon ist, was das Leben in betroffenen Gebieten mehr oder weniger zum Erliegen bringt. Letzte Woche war es in Sydney 43° und etwa 100 Buschfeuer in der näheren Umgebung mussten bekämpft werden. Als ich bei 43° in der Mittagssonne über die halb geschmolzene Straße vor dem Hostel ging um mir ein paar Äpfel zu kaufen kam die heiße Luft von all den wartenden Autos den Berg hoch gekrochen und ich bin fast zusammengeklappt. Ich habe ja bekanntlich kein Problem damit nachts nackt Ski zu fahren, aber bei ca. 90° warmer Luft bin ich doch ziemlich schnell am Ende. Bald kommt wieder eine Hitzewelle, und die Region gen Süden ist momentan mit Buschfeuern übersäht – es bleibt also spannend.

In den letzten Tagen wurde ich oft nach meinem groben Plan für die nächsten Monate gefragt. Als Antwort konnte ich stets meinen gesamten Plan erzählen, denn mehr als einen groben Plan habe ich nicht – und dass ist auch gut so! Ich will mit Burgundi in den Westen Australiens reisen und dort ein wenig länger bleiben, einen gut bezahlten harten Job dort finden und ein paar Monate Geld ansparen. Eventuell geht es von da aus noch nach Indonesien, bevor ich über den Norden zurück an die Ostküste komme. Dann wird wohl irgendwann mein Arbeitsvisum auslaufen und vor meiner Rückreise stehen noch Neuseeland und Fiji zur Option. Ich könnte dann nochmal drei Monate als Tourist nach Australien und auf dem Rückweg nach Deutschland nochmals ein paar Wochen irgendwo in Asien stoppen.

Also dann, bis irgendwann. Ich habe keine Ahnung was ich euch im nächsten Bericht zu erzählen habe! Drückt Helen und mir die Daumen, dass Burgundi durchhält und wir einen Job finden!

Florian


P.S.: Ich bin mittlerweile am Stadtrand von Canberra. Die letzten Tage waren toll und teilweise extrem heiß, doch bis jetzt waren wir immer schneller (oder langsamer) als die Buschfeuer. Freut euch auf tolle Bilder im nächsten Bericht! 


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Kommentare: 16
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