Weingedanken

Ich stehe auf dem Anhänger eines Traktors, der sich langsam den Berg hinauf arbeitet. Von der erbarmungslosen Mittagssonne abgewandt fällt mein Blick auf meinen Schatten, der am Gras des unebenen Weges entlang tanzt. Neben mir steht David aus England und stopft sich wie besessen Weintrauben aus dem großen, weißen Bottich hinter uns in den Mund. Unsere Schatten sehen ein wenig aus wie Cowboys, wobei mein Lederhut mit Davids wirrem Haar konkurriert. Nick, der Traktorfahrer erreicht den Schotterweg und beschleunigt. Staub weht mir in das schweißnasse Gesicht und dringt in jede Pore meines Shirts. Es wird nie wieder sauber werden, weshalb ich es auch morgen wieder anziehen werde – vorausgesetzt morgen gibt es Arbeit. Das ist der einzige wirkliche Nachteil an dem Job. Jeden Tag wird der Zuckergehalt der Trauben gemessen, und irgendwann müssen ganz spontan ausgewählte Rebreihen abgeerntet werden. Je nachdem, welche der 17 verschiedenen weißen und roten Traubenarten betroffen sind müssen dabei verschiedene Dinge beachtet werden. Trauben mit Vogelschaden oder im Umfeld zu weniger Blätter, kleine Trübe oder gar Faule werden abgeschnitten und auf den Boden geworfen; der Rest kommt in den Eimer. Je nach Stimmungslage der Trauben gibt es auch mal mehrtägige Pausen oder morgens früh kommt eine Sms mit „no work today“. Dann müssen wir wieder die Zeit in Lilydale totschlagen. 

Ein Foto von mir bei der Arbeit!?

Heute aber meinte es der Traubengott gut mit uns, denn ich sehe aus dem Augenwinkel wie der zweite Traktor einige Meter entfernt weitere Rebreihen vom schützenden Netz befreit. Über einen großen Greifarm wird das Netz bei der Fahrt über den Traktor hinweg auf eine hölzerne Rolle auf dem Anhänger gewickelt. Nick hat die Heckklappe unseres Traktors geöffnet, da seine Klimaanlage defekt ist. Er lehnt sich zu uns hinaus und zeigt auf das große Gefährt. Letztes Jahr hat er den gefahren, erzählt er uns. Eines Tages hatte er eine Brown Snake im Netz gehabt, die dann direkt über seinem Kopf hing. Ein Spezialist musste kommen. Er lacht und konzentriert sich wieder auf das Fahren. Komisch, eigentlich sind Schlangen eher selten in dieser Gegend. Viel Zeit zum darüber nachzudenken bleibt mir jedoch nicht, da wir unser vorläufiges Ziel erreichen: Zwei erntewillige Rebreihen, die nur so danach schreien mit leeren Eimern ausgestattet zu werden. 

 

David und Ich springen vom Anhänger und laufen dem Gespann nach. Je nach Bewuchs stellen wir etwa alle vier Pflanzen einen der schwarzen Eimer ab. Spazieren gehen für 18,50 Dollar nach Steuern – das ist in Ordnung. Vor einer Viertelstunde hat das noch etwas anders ausgesehen. Ein voller Eimer nach dem Anderen musste angehoben, bei der Fahrt in den großen, 600kg Trauben fassenden Bottich geleert und anschließend vorne auf dem Anhänger gestapelt werden. Als der hintere Bottich voll war bin ich auf den Anhänger gestiegen und habe die Eimer von David über die Metallrutsche auf dem Radkasten gereicht bekommen. So hatten wir in wenigen Minuten 1200kg Trauben verladen und die viel zu hohen Eimerstapel schwankten im Wind. 

So sieht die Arbeit aus


Wie Schafe auf dem Anhänger


Nick, Ich, Conan David



„I.love this Job“ sagt David, der eigentlich Conan heißt. Sein richtiger Name interessiert hier allerdings Niemanden, da er eins zu eins aussieht wie David Guetta. „I'm glad we can do the buckets.“ Ich stimme ihm zu. Trauben ernten war zwar ein entspannter Job, aber auf Dauer recht eintönig. In Teams zu zweit werden die Trauben von beiden Seiten der Rebreihe gleichzeitig mit einer scharfen Schere abgeschnitten. Dabei muss man ein wenig aufpassen, Johannes und Luisa hatten sich an ihrem ersten Arbeitstag ordentlich geschnitten. Erreicht man einen Holzpfahl ist die Sektion abgeerntet und man trottet zur nächsten Freien. So bewegen sich die etwa 25 Erntehelfer, von denen bis auf ein paar alte Damen alles Backpacker sind sich meist an zwei Roads gleichzeitig den oft flachen Hügel hinauf oder hinab. Manchmal müssen die vollen Eimer noch auf die andere Seite gestellt werden, damit die Bucketboys die Ernte von bis zu vier Roads mit einer Fahrt aufsammeln können. Ihr habt richtig gehört, ich bin jetzt nicht nur Bachelor sondern auch Bucketboy. Langsam aber sicher wird mein Lebenslauf unwiderstehlich. Etwa die Hälfte der Zeit helfen wir bei der Ernte, die andere Hälfte sind wir mit Nick und dem Traktor unterwegs. Dabei machen David und ich zu zweit die Arbeit, die zuvor von vier anderen Backpackern erledigt wurde. Was für Tüten! Klar ist die Arbeit abschnittsweise anstrengend, aber das empfinden wir als sehr angenehm. Es kann ja schließlich auch nicht sein, dass mir Freunde aus Deutschland erzählen ich würde immer magerer aussehen! Komm rüber Nico, hier wird man fürs Trainieren bezahlt! 

Ein Fläschchen kostet mindestens 70 Dollar
Wir setzen die letzten Eimer ab und springen wieder auf den Anhänger. Normalerweise müsste Nick uns jetzt wieder bei den Erntehelfern absetzen, doch wir können sie nirgends finden. Er nimmt uns mit zur Farm, von wo aus wir schließlich die Gruppe am anderen Ende des Grundstücks am Hang sitzen sehen. Sie wurden offensichtlich mit dem großen, roten Viehanhänger zu den nächsten Reben gebracht und haben nun dort erst einmal Mittagspause. Gestern war an dem Anhänger noch fast ein Rad abgefallen, während wir damit transportiert wurden – Der Reifen war platt und die Radmuttern hatten sich gelöst. Die Mittagspause wird natürlich nicht bezahlt, jedoch gibt es morgens in der bezahlten Arbeitszeit immer eine Pause mit Kaffee und Brot australischem Gebäck. Dabei suchen wir uns stets ein Plätzchen im Schatten, um nach Feierabend nicht wieder mit einem Sonnenstich zum Unterstand fahren zu müssen. Zufuss bräuchten wir mindestens 20 Minuten zu den Anderen und die Mittagspause würde für uns ausfallen. Nick spricht kurz mit dem Boss, der mir schließlich den Schlüssel für den „Gator“ in die Hand drückt, eine Art Quad mit sechs Rädern. David wurde aufgrund mangelnder Fahrkünste zum Beifahrer verdammt. Er hat nun seit drei Wochen ein Auto und ist bereits vier mal irgendwo gegen gefahren. Dabei sieht er doch überhaupt nicht aus wie Linch. Bei den Übrigen angekommen wurden uns zunächst neidische Blicke zugeworfen. So fühlt es sich wohl an, wenn man mit dem Heli zur Party kommt. Dafür haben wir aber doch den anstrengenderen Job.

Mittagspause

Bei der Mittagspause hat man zum ersten Mal Zeit, sich die idyllische Umgebung genauer anzuschauen. Wie gemalt legen sich die Weinreben auf die Hänge im Yarra Valley, das im Morgengrauen stets ausgiebig für Heißluftballonflüge genutzt wird. Verschiedenste Grün- und Gelbtöne verschwimmen miteinander und bilden einen Kontrast zum Blau des Himmels. Die gewaltigen Schutzstoffe sehen aus wie überdimensionale Spinnennetze, und die unzähligen großen Heuballen im Hintergrund wirken irgendwie verloren. Mein Nutellabaguette neigt sich dem Ende. Gleich geht es wieder aufs Feld.



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Kommentare: 13
  • #1

    Anna (Donnerstag, 16 April 2015 22:58)

    Ach herrlich, wie sehr wünsche ich mir, jetzt mit dir tauschen zu können...aber immerhin muntern mich deine Beiträge an den ansonsten tristen Tagen der Bachelorarbeit auf...
    Viele Grüße aus Stuttgart und viel Erfolg mit dem Job!

  • #2

    Simon Jäger (Donnerstag, 16 April 2015 22:59)

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