Von Zügen und Ampeln

Hallo liebes Tagebuch...

Vorab ein Foto von heute Nacht...



Es ist Donnerstag, 1:30 Uhr morgens. Ich sitze gerade müde und durchnässt im einem Burger King Hungry Jacks mitten in Melbourne und muss irgendwie die nächsten 5 Stunden rum kriegen, bis ich wieder zur Arbeit darf. Klingt, als ob da was schief gelaufen ist? Möglich. Bereits heute morgen um 6:30 habe ich im Hotel angefangen zu arbeiten, wobei ich dank Schlafmangel schon nicht ganz auf der Höhe war. Schließlich war es gestern der letzte Abend mit Daniel und Tom, die heute früh gen Westen aufgebrochen sind. Für den späten Nachmittag kam dann spontan eine Buchung von 85 Personen rein, weshalb Josefine mich darum bat, ihr an der Bar zu helfen. Neben dem normalen Betrieb zu zweit auch noch ein wildes Rudel Freibieraustralier bei Laune zu halten ist schon fast Hochleistungssport! Heftiger war eigentlich nur meine Schicht im Nachtclub des Hotels, wo bis 5 Uhr Nachts bunt angemalte Feierwütige den halben Laden zerlegt haben.

Der Nachtclub im Hotel - noch heile
Nach insgesamt 13 Stunden Arbeit war ich eben gegen 0 Uhr dann jedenfalls auch gut geschafft, als ich endlich Feierabend machen konnte. Am Bahnhof war dann unter meiner favorisierten Destination allerdings nur eine große schwarze Fläche zu sehen. Uuups! Normalerweise arbeite ich nur am Wochenende an der Bar, wo die ganze Nacht durch Busse nach Altona fahren. Das ist an einem Mittwoch Abend natürlich nicht der Fall, und der letzte Zug ist seit 15 Minuten weg. Tja, dumm gelaufen. Geärgert hat mich das allerdings überhaupt nicht! Ich weiß nicht warum, wahrscheinlich ist man als Backpacker so abgehärtet, dass schlechte Umstände einfach als „immerhin nicht langweilig“ oder „mal was Neues“ abgehakt werden. In der Hinsicht hat mich die Reise doch schon irgendwie verändert. In kritischen Situationen bleibe ich total ruhig und sehe es als Herausforderung, einfach das beste aus der Situation zu machen. Warum auch Energie verschwenden und sich aufregen oder ärgern? Aufgefallen war mir das schon bei meiner Kollision mit dem Lastwagen in meiner ersten Schicht als Pizzafahrer. Da werde ich fast von 2m großen Reifen zerquetscht und hab nichts besseres zu tun als einen dummen Spruch zu reissen und arbeite einfach weiter, als wäre nichts gewesen. Jawoll, ich schweife ab. Ich darf dass, ich bin müde! Zunächst wollte ich also jedenfalls irgendwie per Anhalter nach Altona kommen, doch ein gewaltiger Wolkenbruch und die Tatsache, dass ich in 5 Stunden eh wieder hier sein muss lassen mich nun halt in einem Fastfoodladen übernachten. Wäre schon fast gemütlich, wenn der Vollasi neben mir mal endlich aufhören würde lauthals mit seinem Homeboy zu telefonieren und irgendjemand diese hässliche McSonstwas Maschine zum Schweigen bringen würde! Piep! Piep! Pieeeep! Waaaaarrrgh! 

meine Bar von Innen
meine Bar von Außen









Jedenfalls kann ich nun auch noch eben erzählen, wie ich hier zum Autohändler geworden bin. Eher durch Zufall habe ich die Verkaufsanzeige von Ollie, einem Fleischer aus Deutschland bei Gumtree gesehen. Er wollte bald abreisen, was der Grund für den recht guten Preis von 2500 Dollar Verhandlungsbasis für den Van sei. Soviel hatte ich längst nicht auf dem Konto, aber vereinbarte trotzdem eine Probefahrt. Der Wagen hat mich aus mehreren Gründen angesprochen. Ganz entscheidend ist die westaustralische Registrierung, die mir ein unkompliziertes Ummelden ohne Werkstattcheck ermöglicht und zukünftig beste Wiederverkaufschancen bietet, egal in welchem Staat ich den Wagen wieder verhökern möchte. Ganze 4 Monate „Rego“ waren sogar noch übrig. Kompakte Maße, unauffälliges Äußeres, 4 neue Reifen, Bullbar, ein sparsamer Dieselmotor, Heckantrieb mit Blattfedern und ein ganz guter Innenausbau mit Bett, massig Stauraum und einer brauchbaren Musikanlage sowie jede Menge Zubehör (Kühlbox, Wassertank, Spritkanister, Tisch, Angel, großer Gaskocher etc etc...) waren ebenfalls nicht zu unterschätzen. Der Wagen hat allerdings schon über 375.000km auf dem Tacho. Gerade mal eingefahren! Als Ollie ihn in Perth gekauft hatte, ist ihm wenig später die Zylinderkopfdichtung durchgebrannt, weshalb er für 2000 Dollar den halben Motor hat erneuern lassen. Der Wagen lief super und ich konnte mit Ollie unschlagbare 1800 Dollar aushandeln, die ich ihm nach einer längeren Testfahrt am nächsten Tag geben wollte. Wie ich es ja schon gewohnt war sprang am nächsten Tag natürlich der Wagen nicht an. Die Batterie war frisch ausgetauscht worden, also konnte nur eine defekte Lichtmaschine in Frage kommen. Dass jene defekt war, wusste Ollie vorher. Doof nur, dass die frische Batterie, mit der er den Defekt überspielen wollte für einen Dieselmotor mit Glühkerzen zu klein war. Ich sagte Ollie, dass ich den Wagen so nicht kaufen würde. „Oah nee. Und wenn ichn dir für 1000 dalasse? Dann kann ich am Wochenende aufn Roadtrip und dann is gut. Verloren hab ich eh mit dem Ding“ 1000 Dollar für den Wagen – dass konnte ich unmöglich abschlagen. Fotos folgen!


Ich gewährte Ollie noch ein paar Nächte Asyl in meinem Fuhrpark. Um ein Haar hätte ich ihm noch sein Longboard abgekauft – echt praktisch so ein Teil! Auf dem Weg zum Kloster, wo es kostenloses Essen gibt und wo wir den Kaufvertrag fertig machen wollten ist dann mal wieder etwas Unglaubliches passiert. Eine von den Situationen, wofür ich Australien liebe und hasse. Ein frischer Strafzettel weht im Wind an unserer Windschutzscheibe, als Ollie anhält, um ein paar Fußgänger die Straße passieren zu lassen. Er fährt wieder los – dass er gerade an einer roten Ampel gestanden hatte war ihm offenbar entgangen. Nicht entgangen hingegen war es der Polizistin in ihrem Einsatzfahrzeug hinter uns. Jackpot! Die Sirene heult zwei mal laut auf. Wir halten an und steigen aus. Die Polizistin hält Ollie ihren Ausweis unter die Nase. „What the hell are you doing? Didnt you see that redlight?“ Ollie, in seiner gelassenen Art, entgegnet nur „Wich redlight?“ - „that redlight around the corner. You cant even remember it?“ Entsetzen steht in ihrem Gesicht. Mitten im belebten Viertel St. Kilda eine Fußgängerampel zu übersehen kann aber natürlich auch anders ausgehen. Ich erklärte ihr, dass ich Oliver wohl in dem Moment etwas mit dem Radio abgelenkt haben muss. „Can i see your drivers licence?“ Natürlich hat Ollie einen Führerschein, allerdings hat er den Ausweis neulich beim Kitesurfen verloren und seitdem ein Ersatzpapier dabei. Das hätte er natürlich sagen können, aber irgendwie kam nur Folgendes aus seinem Mund: „I have no drivers licence in the moment...“ Ollie halt. Der Polizistin blieb ein paar Sekunden der Mund offen stehen, bis sie ihn schließlich dazu benutzte meinen persönlichen Satz des Monats von sich zu geben: „Too much paperwork.“ Was? „Maybe you shouldnt drive without a drivers licence! Let him drive the car“ Sie deutet auf mich, steigt in ihr Polizeiauto und fährt davon. Ist das gerade wirklich passiert? Typisch Australien – Übertrieben strenge Regeln für Alles, aber meistens interessiert es keine Sau. Je nach Laune des Ordnungshüters bekommt man mal eine 800 Dollar Strafe, wenn man nicht angeschnallt ist; mal wird man einfach an der Straße stehen gelassen, wenn man offensichtlich ohne Führerschein über eine rote Ampel fährt und leicht verpeilt angibt, sich daran nicht erinnern zu können. Australien halt.

Die neue alte LiMa
Mittlerweile habe ich die Lichtmaschine also ausgebaut und nach einem Ersatzteil gesucht. Nach langer Suche war klar – das Teil gibt es nicht als Ersatzteil zu bestellen. Ein Schrottplatz hat mir das Gerät, wo bei Dieselfahrzeugen auch immer eine Vakuumpumpe mit dranhängt, für 200 Dollar mit 12 Monaten Garantie repariert. Es ist echt beeindruckend, wie viel man als Individualreisender wirklich dazulernt. Unendlich viele unbekannte Situationen und Probleme die es irgendwie zu meistern gilt. Autos ist da nur Eines von vielen Beispielen. In Deutschland hatte ich nur Ahnung vom Nötigsten, mittlerweile traue ich mich an fast Alles selber heran und werde immer besser. Kein Wunder bei den alten Backpackerkarren, wo Alles mal kaputt geht – dann muss man ja auch Alles mal reparieren! Wo ich gerade dabei bin große Töne zu spucken: Beim Einbau der Lichtmaschine habe ich natürlich vergessen die Batterie abzuklemmen. Bzzz! Die komplette Zündung war außer Betrieb. Jippieh! Mit viel Sucherei, einem Beitrag in einem Internetforum und den Tipps meines Onkels habe ich mittlerweile Eine Hauptsicherung ausgetauscht und ein weiteres defektes Teil gefunden, aber warum nach wie vor kein Zündfunke kommt weiß ich noch nicht. Wahrscheinlich hat sich irgendein Relais geopfert, um mir den Tag zu versauen. Da bin ich jedenfalls noch dran! 

Der Onkel unterm Messer

Übeltäter gefunden


Am Wochenende hatte die Kommune in der Wohnung von Johannes und Luisa eine kleine Abschiedsfeier. Gefahren bin ich mit Rudi, da es mein einziges fahrtüchtiges Auto war – ohne Versicherungsschutz und unregistriert quer durch Melbourne. Wir biegen um die Ecke, da rutscht mir fast das Herz in die Hose: Polizeikontrolle. Alle Autos werden an die Seite geleitet. Glücklicherweise musste ich nur ins Röhrchen pusten, dann konnte es weiter gehen. Dennoch, mir ging ordentlich die Pumpe! Der Abend war schön, wenn man von unserem schrecklichen Gesang zu 90er Hits auf Daniels Handyvideo mal absieht, was wir uns vor einem festlichen Brunch noch anschauen durften. Morgen wird der Rudi übrigens abgeholt. Für 600 Dollar gekauft und ein wenig aufgemöbelt bekomme ich für das Teil doch tatsächlich 1750 Dollar, ohne dass ich Jemanden übers Ohr haue. Da habe ich wohl mal ein gutes Händlerhändchen gehabt! Burgundi wird höchstwahrscheinlich abgemeldet und verschrottet. Jetzt muss ich nur noch Onkel Ludwig flott machen, dann kann es losgehen. Der Name entstand übrigens, als ich gelangweilt „Van“ bei Google eingegeben und „Ludwig Van Beethoven“ gefunden habe. Das „Onkel“ gab es noch dazu, weil er nun mal schon alt und ein wenig träge ist. An dieser Stelle beste Grüße nach Holzhausen! ;-)

Am Wochenende werde ich meinen Job kündigen, um spätestens am 28. Mai meinen letzten Arbeitstag zu haben. Noch 12 Tage! Bis dahin muss der Onkel laufen, aber das klappt schon irgendwie. Ihr glaubt gar nicht, wie sehr ich mich darauf freue wieder umher zu streunen. Dann gibt es hier auch endlich wieder knallbunte Reiseberichte mit jeder Menge Fotos, wie ihr sie aus Asien hoffentlich noch in Erinnerung habt. Ohne Zeitdruck der Sonne hinterher. Bald...

So, den Umständen entsprechend wurde und wird von so unnützem Zeug wie Rechtschreibfälerkorrektur, Satzbau oder gar inhaltlicher Struktur heute mal abgesehen. Es ist gleich halb 4, und wenn ich meine Frühschicht und den Autoverkauf hinter mir habe werde ich zum ersten mal im Van schlafen – und zwar lange.

Haunse!
Der Herr Gweg


P.S.: Piep. Piep. Piep. Piep. Piep. Piep. Piep.


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