Hallo Kanada!

Die Couch, auf der ich aufwache ist bereits ordentlich durchgesessen. Wo bin ich hier denn? Ein Kühlschrank, ein Billardtisch, eine Wand voller Fotos und zwei Mädels, die mich etwas perplex anschauen machen klar: oh, ich bin in Kanada! Offensichtlich hatte ich mich bereits im Samesun Hostel in Vancouver eingecheckt, aber die Reisetabletten bescherten mir einen deftigen Filmriss. In meiner rechten Hand vergraben finde ich einen Schlüssel mit der Nummer 114, der mich zu meinem Zimmer und meinem übrigen Gepäck führt. Mein Handy und meinen Reisepass kann ich nirgends finden, aber irgendjemand hat die Sachen wohl netterweise unten an der Rezeption abgegeben. Glück gehabt! Ich gehe spontan zur Straße hinaus und denke im ersten Moment, ich wäre in einer Art Miniaturversion von Melbourne gelandet. Es ist genauso warm wie in den Wochen zuvor auf Hawaii, überall gibt es offene Cafes und selbstgemalte Werbeschilder, an der nächsten Ecke versucht sich ein Straßenkünstler im Beatboxen. Es herrscht geschäftiges Treiben auf den breiten Bürgersteigen und die Haare vieler Passanten sind ebenso rasterförmig angelegt wie die Straßen der Innenstadt selbst, ein ständiger Marihuanageruch liegt in der Luft und in der Ferne sind mehrere Sirenen zu hören, die nur vom lauten Lachen einer Gruppe Asiaten übertönt werden. Am Horizont ist das Meer zu sehen, über dem wegen der nahen Waldbrände dichte Rauchschwaden schweben und den Abendhimmel rötlich färben. Hallo Vancouver, hallo Kanada!

Ich brauche noch ein Stündchen, um wieder halbwegs klarzukommen und mache mich schließlich direkt auf den Weg: Simkarte, Steuernummer, Bankkonto - die drei Dinge, um die sich jeder Wörkenträweller bei seiner Ankunft im Land zuerst kümmern muss. Eine Simkarte ist schnell besorgt, die Preise für mobile Daten hier sind jedoch abnormal. Beim billigsten Prepaid-Anbieter „chatr" zahle ich 50 Dollar im Monat für 1GB und ein paar Freiminuten. Die Steuernummer gibts in Vancouver im Sinclair Center und ist in wenigen Minuten abgehakt. Ein Bankkonto im Anschluss (da die Steuernummer gebraucht wird) findet man in der Stadt an jeder Ecke. Während ich da so im offenen Büro des Bankangestellten saß, ertönte irgendeine merkwürdige Melodie… he, die kennste doch! Da hatte ich im verbackenen Zustand total vergessen, dass ich mir noch in Deutschland Konis Hupen als Klingelton eingestellt hatte und mein reanimiertes Handy beschallte eine halbe MInute die gesamte Bankfiliale, ehe ich es aus meinem Rucksack gekramt hatte.

Am Telefon war Ali, ein nach Kanada ausgewanderter Pakistani, der auf Craigslist einen Van zum Verkauf inseriert hatte. Ich hatte ihn bereits aus Hawaii kontaktiert und ihm direkt geschrieben, nachdem ich die Simkarte eingelegt hatte - denn der Van war einfach viel zu geil. Dass ich mir in Kanada ein Auto kaufen würde war von Anfang an klar, da es wie schon in Australien für ein Abenteuer dieser Art aus einer Vielzahl von Gründen einfach unverzichtbar ist - bereits seit Wochen hatte ich den kanadischen Automarkt im Auge. Keine 2 Stunden später saß ich auch schon hinterm Steuer des „Chevy Van G20“ und verliebte mich auf Anhieb in das Auto, was ja auch schon dem A-Team gute Dienste geleistet hat. Ein blubbernder 5.7 Liter V8-Motor, Automatikgetriebe, Fahrverhalten wie ein Kreuzfahrtschiff, Klimaanlage, dicke Plüschsessel, Isolierung des Innenraums, Radio und Boxen, Vorhänge ab Werk, Platz ohne Ende und eine Standheizung - alles egal, denn der Wagen hat ne Leiter hinten dran. Ne Leiter!! Ich wollte schon immer mal ein Auto mit Leiter hinten dran! Yihaa! Nur etwas Rost und eine künstlerisch wertvolle Windschutzscheibe trüben das Bild, aber so etwas wie TÜV oder eine Inspektion gibt es hier nicht, wenn man den Wagen im selben Bundesstaat kauft.

Ich hatte also bereits am Tag meiner Ankunft in Kanada einem Autokauf zugestimmt. Es dauerte aber noch zwei Tage, bis der Geldautomat mir genügend Scheine ausgehändigt hat und wir uns erneut an einer Skytrain-Station in Surrey zur Kaufabwicklung treffen konnten. Zusammen ging es in ein Büro der ICBC, welche für den Staat British Columbia für die Anmeldung zuständig ist. Leider hat sich Ali direkt verplappert und den Angestellten erzählt, ich wäre ein Reisender und hätte ja noch so viel vor in Kanada. Die unfreundliche, dicke Inderin schickte daraufhin direkt eine Meldung an die Zentrale - hier ist so ein komischer Typ, der will durchs ganze Land reisen, was machen wir denn da!? Die Antwort kam promt: Erstmal nur 3 Monate Registrierung für den Reisenden. Sämtliche Unterlagen aus Flensburg und meine englischsprachigen Dokumente für schadensfreie Jahre wurden auch nicht akzeptiert, da die Inderin schlichtweg zu dämlich war die Struktur einer simplen Tabelle auf dem Dokument zu verstehen. Im Endeffekt zahle ich nun stolze 700 Dollar für 3 Monate Anmeldung und Versicherung, und ich muss in zwei bis drei Monaten nochmal in British Columbia sein, um die Registrierung zu verlängern. Die Rabatte werde ich erneut einreichen, wenn ich den Wagen auf einen kleineren Ort ummelde.

Ehe ich mich auf den Weg zu meiner letzten Nacht im Hostel machte, spendierte Ali mir noch einen hochwertigen Teppich für den Innenausbau und allerlei Zeug aus seiner Garage, was ich gebrauchen konnte. Freitag Abends in Vancouver Downtown einen Parkplatz für die große Karre zu finden war eine Aufgabe für sich. Auf der hektischen Suche nach Münzgeld für das Parkticket rannte ich prompt in eine Wand aus Dildos, da der nächstbeste Laden natürlich ein Sexshop war. Das Parkticket für die Nacht kostete mich schließlich 36 Dollar und ich war mehr als froh, am nächsten morgen endlich wieder „on the road“ zu sein. Vorher machte ich aber noch mit Lenny, einem Skater aus Delbrück, und der Schweizerin Lara den Stanley Park auf Rollen unsicher. Lenny konnte mein abgehacktes Longboard dafür ein wenig tunen und bekam zum Dank erstmal ne Cola in die Hand gedrückt. Der große Park grenzt an Downtown und ist das Naherholungsgebiet überhaupt für die Region. Wir sahen Waschbären, Pelikane und alte Totems, die die Ureinwohner wohl damals als Willkommensgeste errichtet hatten. Einen Ort wie diesen sollte jede Großstadt haben!

Gegen Abend schnorrte ich mir dann noch eine Dusche im Hostel und verabschiedete mich von den Beiden. Im Süden der Stadt, am Jericho Beach sollte es angeblich gute Orte geben, um im Auto übernachten zu können. So war es dann auch, und ich verbrachte die folgenden Nächte neben Schweizern und einer Truppe aus Trier am malerischen Stadtstrand des „Point West“. Ich verbrachte einen gesamten Tag auf dem Parkplatz eines Baumarkts, wo ich das defekte Klappsofa und zwei Stühle mühsam aus dem Wagen prügelte und den neuen Teppich verlegte. Anschließend zimmerte ich mit einem Minihammer und Nägeln eine Bettkonstruktion zusammen. Ganz simpel und ohne viel Schnickschnack. Eine 5m lange Dachlatte, die ich in kleine Teile zuschneiden ließ und ein paar Verkleidungslatten waren dabei die beste und günstigste Wahl. Jedes Stückchen Holz fand irgendwo Verwendung und am nächsten Tag ging es dann zu Ikea, wo ich nochmal 400 Dollar ärmer wurde. Endlich nicht mehr im Sitzen schlafen! Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Ein stabiles, belüftetes Doppelbett mit seitlicher Ablagefläche und massig Stauraum. Von hinten hat man eine Arbeitsfläche und Zugriff auf die Seitenkästen, von vorne können fünf große Staukisten unters Bett geschoben werden. Wenn man die nach vorne stellt, hat man alternativ zwei weitere Schlafplätze. Das Bett ist gerade mal eine Dachlatte (28cm) hoch gebaut, da man so innen noch aufrecht sitzen kann - Stauraum gibt es ohnehin genug. Seitlich hinter dem Bett befindet sich die Standheizung, die wahlweise den Innenraum oder das Bett von unten beheizt. Zusammen mit der extrawarmen Queensize-Decke und meinem Polarschlafsack sollte man so einen Großteil des Jahres gut im Auto schlafen können.

Am Dienstag holte ich dann Julius ab, den ich im Glauben gelassen habe, einen alten Volvo gekauft zu haben. Er hat beim Anblick des Candyvan natürlich nicht schlecht geguckt und konnte sich ganz bequem in ein gemachtes Nest setzen. Fies! Für unbestimmte Zeit werden wir wieder zu zweit unterwegs sein, da sich unsere Pläne decken: Harte, gut bezahlte Arbeit im rauen Norden des Landes finden. Momentan ist hier aber noch Hochsommer. Bei über 93° Freedom Fahrenheit (34° Celsius) verließen wir Vancouver am Mittwoch auf dem „Sea to sky highway“. Das erste Ziel hieß Whistler.

Das Abenteuer Kanada kann beginnen!! Momentan erleben wir einen waschechten Roadtrip. Beim nächsten mal gibts dann hier auch endlich wieder tolle Bilder - diesmal  aus den malerischen Rocky Mountains.

 

Flo

P.S.: Tipps für den Autokauf in Kanada:

  • Den Automarkt schon ein paar Wochen vor Ankunft beobachten. Je nach Region findet man viele Inserate auf Craigslist und Kijiji, aber auch Facobookgruppen können für Reisekarren hilfreich sein.


  • Das Auto unbedingt in dem selben Bundesstaat kaufen, in dem es registriert ist. Wenn man einen Wagen ummelden möchte, wird eine Inspektion fällig. Die kann dann große Probleme machen, da es so etwas wie einen regelmäßigen TÜV hier nicht gibt.


  • Zusammen mit dem Verkäufer zum Autobroker gehen und den Wagen ummelden. Wer einen niedrigeren Kaufpreis angibt, kann Steuern sparen - hat dann aber schlechte Karten, wenn man den Wagen zurückgeben muss, denn


  • Autokäufer haben in Kanada eine Art automatischen Rechtsschutz. Sollte der Wagen im ersten Monat verrecken, hat man gute Chancen den Kauf rückgängig zu machen.


  • Im Büro verschweigen, dass man plant das Land zu bereisen. Nicht zuviel plappern, knapp antworten und sagen, dass man im Bundesstaat bleiben möchte. Dazu auch


  • Einen kleineren Ort als Wohnsitz angeben oder den Wagen später auf einen kleineren Ort ummelden. So spart man gut und gerne 25% der monatlichen Zahlungen.


  • Sich nicht von den Werkstätten verrückt machen lassen. Angeblich fällige Arbeiten auf jeden Fall von einer zweiten Werkstatt (ohne Hinweis auf das „Problem“) überprüfen lassen. In Vancouver versuchen fast Alle einen abzuzocken, große Ketten bilden da keine Ausnahme.


  • Fenster runter, Musik an - dann hört man die meisten komischen Geräusche nicht mehr ;)

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Kommentare: 1
  • #1

    Captain (Donnerstag, 23 Juli 2015 17:17)

    Konis Hupen?!? Ernszhaft??
    :D :D :D :D :D :D :D :D :D
    Hau rein und weiterhin viel Spaß